Die Rose vom Wörthersee – Eine Skiffregatta aus drei Perspektiven

Unter den Skiffruderern ist sie eine Legende und wird vom RV Albatros in Klagenfurt bereits zum 20. Mal veranstaltet. Es sind 16 km von Velden nach Klagenfurt zu rudern, die gesamte Länge des Wörthersees. Dieses Jahr war es am 5. Oktober soweit. Ein gigantisches Erlebnis vor super Kulisse und bei genialem Wetter. Zur ersten Teilnahme des Priener Rudervereins sind wir zu Dritt angereist. Jeder von uns saß ganz alleine im Skiff und hat die Regatta unterschiedlich erlebt. Daher sollte jeder von uns seinen eigenen Bericht schreiben, die ich hier teils gekürzt wiedergebe. Die 3 unterschiedlichen Farben (Toni, Martin-Christoph und ich) geben einen Hinweis auf den Verfasser.

Ich habe das erste Mal in 2017 von dieser Regatta erfahren, ein Jahr nachdem ich mit dem Rudern begonnen habe. In dem Jahr war ich als Zuschauerin dort und habe als solche auch bereits den Entschluss gefasst irgendwann selbst mitrudern zu wollen. Aber ich war damals noch nie in einem Skiff gerudert. Deshalb hatte ich noch einen längeren Weg vor mir: mit einer super Einführung von Marion um das Wichtigste zu wissen, Skiffprüfung ablegen und viel Üben. Und letztendlich die Idee von Toni, in 2019 endlich selbst dabei sein zu wollen. Ich wollte zwar seit 2017 dabei sein aber als der Termin immer näher rückte bekam ich immer mehr Respekt davor, vor allem weil ich diesen Sommer nach meinem Empfinden nicht oft im Einer gerudert bin. Aber ich habe zugesagt und es gab so für mich kein Zurück mehr. Es folgte die Frage, welches Boot ich für die Regatta nehme. Ich wollte kein Rennboot vor Ort ausleihen, dafür fühlte ich mich nicht gut genug. Letztlich habe ich mich für Manni entschieden, ein  Schellenbacher Holzskiff, mit dem ich mich auf dem Chiemsee am Sichersten gefühlt habe. Und bei der Rose ging es mir in erster Linie darum, ohne ins Wasser zu fallen im Ziel anzukommen.

Am Feiertag, zwei Tage vor der Regatta, haben wir die beiden Boote aufgeladen. Martin hatte mich darauf aufmerksam gemacht, dass wir für die Skiffs nur unseren alten, breiteren Hänger nehmen können, welchen ich auch noch nie mit dem Auto gezogen hatte. Aber erst mussten wir zu Dritt den Hänger wieder aus der „Versenkung“ holen, denn er hat ziemlich verbarrikadiert mit einem Achter und dem neuen Hänger davor auf unserem Hof gestanden. Wir hatten ihn auch schon ewig nicht benutzt, da der neue Hänger viel praktischer war. So hat sich auch an dem Feiertag herausgestellt, dass der TÜV seit ein paar Monaten abgelaufen war. Und am nächsten Tag wollten wir bereits vormittags losfahren, damit wir noch ein wenig Zeit haben, die Formalitäten zu erledigen und uns auf dem Wörthersee einzurudern. Dass wir es noch ziemlich unkonventionell aber erfolgreich geschafft haben den TÜV-Stempel auf den letzten Drücker zu bekommen haben wir alleine Dirk zu verdanken. Vielen Dank nochmal an dieser Stelle, ich kann es nicht oft genug sagen.

Am Freitagmorgen um halb 10 ging es los. Alle 3 plus mein Kater Theo hatten im Auto Platz gehabt und so brachen wir gemütlich auf, im Hängertempo und besonders in den Kurven vorsichtig, da das Ding doch ziemlich ausschert. Früh am Nachmittag sind wir dann endlich in Velden angekommen und gleich zum Sattelplatz am Strandbad gefahren.

Die schmale Einfahrt mit 90°-Kurve, wo wir den Bootsanhänger kurz abkuppeln und schieben mussten, war das einzige Hindernis und hatte offenbar viele andere von den über 200 Teilnehmer*innen abgeschreckt. Jedenfalls hatten wir zusammen mit ein paar Schwänen und relativ wenigen weiteren Ruderern reichlich Platz in dem umzäunten Areal, das nachts abgeschlossen wurde. Wir konnten in aller Ruhe unsere beiden Skiffs aufriggern und den anderen Sattelplatz kurz erkunden, wo ein Rudersteg zwar das Einsteigen ins Boot erleichterte, aber viele asiatische Touristen den Weg dorthin und auf dem Steg verstellten, um von dem schönen Wörthersee mit den schmalen Skiffs und gut gebauten Ruderern ein paar obligatorische Erinnerungsbilder zu schießen.

Als Nächstes holten wir in Klagenfurt beim RV Albatros, dem Veranstalter der Regatta, unsere Startnummern ab: je einen Papierausdruck mit vier Sicherheitsnadeln zum Befestigen auf dem Rücken und eine Kunststofftafel für den Bug.

Leider hatten unsere beiden Boote keinen Startnummernhalter. Zurück in Velden ging ich deshalb zum Kurpark, zum anderen Sattelplatz, hinüber. Gleich neben dem Steg war ein großer Bereich für die Skiffs des italienischen Herstellers Filippi reserviert, die man sich für die Regatta mieten konnte. Einer der Filippi-Mitarbeiter war so freundlich, im Firmenbus nach Nummernhaltern zu suchen. Da fand er keine, entdeckte aber einen nicht mehr benötigten Styrodurstreifen, von dem er zwei Stücke abschnitt und sie in Längsrichtung mit einem Schlitz für die Nummerntafeln versah. Das war schon „die halbe Miete“. Mit meinem Schweizer Taschenmesser schnitt ich über einer Abfalltonne die beiden Blöcke noch stromlinienförmig zurecht, denn sie würden ja ab und zu in die Wellen eintauchen, und gab ihnen auf der Unterseite eine konkave Form, die sich der konvexen Wölbung des Decks anpasste. Mit jeweils zwei Tapestreifen wurden die improvisierten Halterungen schnell und reversibel an den Booten fixiert.

Schwimmsteg Kurpark Velden: Toni testet gemieteten Filippi-Skiff Foto: mcz

Wieder zurück in Velden haben wir unsere Unterkünfte bezogen und ich habe mich nach einem kurzen Besuch am Sattelplatz, wo ich Martin-Christophs meisterhafte Startnummerhalterung während der Entstehungsphase begutachtete, entschieden, statt zu Rudern, doch das Auto am Abend bereits nach Klagenfurt zu fahren, damit ich nicht nach der Regatta noch schnell mit dem Rad 18 km zurückradeln musste um das Auto zu holen. Im Nachhinein die richtige Entscheidung, ich hätte es nur früher machen sollen um nicht in der Dunkelheit wieder nach Velden zurückradeln zu müssen. Als ich kurz nach 20 Uhr mit dem Radl ankam, sind Toni und ich gleich ins Hotelrestaurant zum Essen gegangen. Martin-Christoph wollte etwas Schlaf nachholen, daher haben wir auf seine Gesellschaft verzichten müssen.

Während Toni sein Filippi-Skiff ausprobierte, suchte ich schon mein Quartier auf. In der Nacht zuvor hatte ich wenig geschlafen, und ich kenne die Abhängigkeit meiner Ausdauer vom erreichten Schlafpensum. Schon während der dreieinhalbstündigen Anreise konnte ich dank Eszters ruhiger, souveräner Fahrweise etwas dösen, und jetzt wollte ich früh zu Bett gehen. Nachdem die Pension gefunden, alles ausgepackt, einsortiert und für den nächsten Tag vorbereitet war, zog es mich noch einmal hinaus zu der Verabredung mit Eszter und Toni. Die anvisierte Pizzeria war aber geschlossen. Überhaupt schien die Touristensaison beendet, diverse Bürgersteige bereits hochgeklappt.

Abend in Velden; fortschrittliche Gestaltung der Straße Am Corso Foto: mcz

Nur Veldens Flaniermeile „Am Corso“ verfügte über keinen Bürgersteig, den man hätte hochklappen können. Das Gestaltungskonzept „Shared Space“, von dem man in Prien noch träumt, sah ich hier verwirklicht: Gehwege und Fahrbahn ohne Trennung durch eine Bordsteinkante mit einheitlichem Belag, aufgelockert in diesem Fall durch schmale, weiße Natursteinstreifen oder auch durch in gleicher Breite aufgepinselte weiße Linien, wenige Poller als Orientierung. Alle Verkehrsteilnehmer nehmen aufeinander Rücksicht, motorisiert fährt man entsprechend vorsichtig. Von dieser Gelassenheit hatten wir am Nachmittag bereits mit unserem langen Gespann profitiert, als wir hier beim Abbiegen in den engen Weg zum Strandbad für einen zweiten Anlauf noch einmal zurücksetzen mussten. Ich kehrte um. Kurz vor 21 Uhr lag ich im Bett und schlief hervorragend.

Und nun die drei Berichte vom Tag der Regatta in der Reihenfolge des Starts, die auch zufälligerweise mit den geruderten Zeiten korrespondieren.

Toni an der Engstelle etwa auf der Hälfte der Strecke © riccio photography, www.riccio.at

16 km – Skiffregatta von Velden nach Klagenfurt, Bericht von Toni.

Gruppe 7 an den Start. 05. Oktober 2019, 11.24 Uhr. Es ist so weit. Schon zehn Jahre ist er alt – mein Traum von der Rose vom Wörthersee: 16 km im Einer von Velden nach Klagenfurt, über 200 ambitionierte Ruderinnen und Ruderer aus ganz Europa. Ich habe viel trainiert, den ganzen Winter im Vierer, Ostern mit Eszter die sagenhaften 10 km vom Wolfgangsee im Doppelzweier, den Sommer über 300 km im Einer, zwei Wochen zuvor der Prienathon. Gute Ziele sind ansteckend. Heute sind wir zu dritt vom Priener Ruderverein: Eszter, Martin-Christoph und ich. Bis die 30 Boote meiner Startgruppe an der Linie liegen dauert es einige Minuten. Die Stimme aus dem Megaphon dirigiert das Feld. Mein altes GPS habe ich am Stemmbrett befestigt. Das Durchschnittstempo der gefahrenen Strecke ist in großen Lettern sichtbar. 12 km/h wären eine Stunde und 20 Minuten für die 16 km. 12,8 km/h ergeben 1:15. Irgendwo dazwischen möchte ich ankommen.

Start. Es wird eng. Das Veldener Schloss im Heck und jede Menge Ruderblätter querab. Schnell sein, Kurs halten, keine Kollision – ich fühle mich überfordert. Endlich mehr Platz. 12,8 km/h zeigt das GPS. So könnte es bleiben. Aber 14 km fehlen noch. Der Bug taucht in Schiffswellen. Ich versuche Tempo und Technik zu halten. Lasse die Blätter schleifen, um stabil zu bleiben. Backbords vor mir steuert ein Bekannter aus Wien versiert durch das unruhige Wasser. Später beim Bier erzählt uns ein Ungar niedergeschlagen von 10 Litern Wasser, die er kurz nach dem Start in den Wellen aufgenommen hat.

Mein fabrikneuer vor Ort ausgeliehener Renneiner läuft gut. Für den Endzug fehlen mir ein paar Zentimeter. Nächstes Jahr nehme ich mir mehr Zeit für die Einstellung. Der Gegenwind zerrt an meinen Armen. Ich frage mich, wie die „guten Ruderer“ das Tempo halten. 12,7 km/h zeigt das GPS. Nach sechs Kilometern die erste Richtungsänderung. Ein lautes „Hey“ reißt mich aus der Anstrengung. Die rote Boje hätte ich gerammt. Danke unbekannter Ruderer. Steuerbord überzieht.

8 km – halbe Strecke. Rudern kann grausam sein. Eine dieser giftgrünen, ganz neuen, superschnellen Formen und ein kräftiger Ruderer, der ohne sich ums Lehrbuch zu scheren die Blätter tief wie Schleppnetze durchs Wasser pflügt, schieben sich Zug für Zug an mir vorbei. Ich kann nicht gegenhalten. Endlich sind beide aus meinem Augenwinkel verschwunden und ich rudere gegen mich selbst – 12,5 km/h. Wo muss ich eigentlich hin? Umschauen kostet Zeit. Da sehe ich die Landspitze mit der letzten Richtungsänderung. Von da aus noch knapp 5 km zum Ziel vor dem RV Albatros. Der Wind ist eingeschlafen. Das Wasser glatt. Jetzt gib nochmal alles! Quäl Dich! 12,3 km/h, 12,2 km/h. „Rien ne vas plus.“ hieße es im Veldener Casino.

Mit einer Zeit von 1:17:49 laufe ich abgekämpft aber zufrieden kurz nach einem Luganer, zwei Wienern und einem Münchner im Ziel ein. Willy Koska, Cheforganisator und Urgestein der Rose beglückwünscht mich mit Namen und Verein als Neuling durch das Megaphon. Ich freue mich über diese Aufmerksamkeit. Ja, Willy, ganz vielen Dank, nächstes Jahr sind wir bestimmt wieder dabei.

Martin-Christoph am Ziel © RV Albatros

Im Schmetterling auf der Rose vom Wörthersee von Martin-Christoph:

Am nächsten Morgen war die Wirtin meiner Bitte gefolgt: Frühstück gab es nicht um 8 Uhr, sondern schon eine halbe Stunde früher. Schließlich wollte ich bei der Regatta keinen vollen Magen spüren. Mein Gepäck in den Händen und auf dem Rücken schlenderte ich dann zunächst zum bereits geöffneten Filippi-Stand, um mich über die Gewichtsklassen dieser weißen Skiffs mit dem blauen „F“ zu informieren. Weil ich mir hinsichtlich des aus Prien für mich mitgebrachten „Schmetterling“ in dem Punkt etwas Sorgen machte, wollte ich dann wissen, ab wann ein Skiff zu klein ist. Bei so ruhigem Wasser wie heute lasse sich das nicht leicht festlegen, lautete die diplomatische Auskunft. Eindeutig zu klein sei ein Boot, wenn ständig das Deck überspült werde.

Herrliches Wetter! Ich machte den Schmetterling klar und startete vom Kiesstrand aus zu einer kleinen Erkundungstour. Dann begab ich mich früh genug wieder aufs Wasser, um in aller Ruhe mit den anderen Teilnehmern meiner Altersgruppe in die Vorstartzone gleiten zu können. Während noch zwei Gruppen vor uns gestartet wurden, kam ich mit einem Ruderer neben mir ins Gespräch. Er kam vom Attersee. Dort hätten sie auch mal eine Regatta etablieren wollen, sagte er. Aber der Plan wurde wieder aufgegeben, weil der zwischen den Bergen häufige Starkwind regelmäßig zu hohe Wellen macht. Wir wünschten uns gegenseitig viel Erfolg und Spaß.

Bei dieser 16-km-Distanz würde es hauptsächlich auf die Ausdauer ankommen, das war mir klar, und hier wusste ich meine Stärke. Nachdem ich jedoch mit einem für meine Verhältnisse kurzen Schlag Wochen und Monate im Vierer für den Prienathon trainiert hatte und in diesem Jahr bisher nur dreimal im Skiff gerudert war, machte ich mir hinsichtlich meiner Bootsbeherrschung und Schlageffizienz keine Illusionen. Ich freute mich, mal wieder mit dem mir natürlichen, längeren Schlag rudern zu können und spürte auch dessen gute Kraftübertragung, sofern er mir gelang. Aber meine Technik und Haltung sind verbesserungswürdig. Zu meiner Beruhigung hatten wir beim Aufriggern die „fünfte“ Auslegerstrebe des Schmetterlings weggelassen, die im Fall des Kenterns meinen Wiedereinstieg ins Boot erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht hätte. Ich kenterte nicht. Vom Start weg war ich aber einer der letzten meiner Gruppe. Nach etwa 500 m sah ich plötzlich den Kollegen vom Attersee im Stillstand hinter mir zurückbleiben. Am Ziel sollte ich ihn an der Kuchentheke wieder treffen. Er sei zu forciert gestartet und habe Muskelkrämpfe bekommen, erklärte er mir. Diese seien nach einigen Minuten des Wartens zurückgegangen, so dass er weiterrudern konnte.

Bei jedem Schlag hörte ich ein Rauschen, das beim Eintauchen des Bugs von dem noch immer klobigen Startnummernhalter verursacht wurde. Also hatte der Schmetterling doch zu wenig Auftrieb für meine etwa 82 Kilo. Wiederholt glaubte ich zudem, eine Schlagseite nach Backbord durch leichte Neigung meines Oberkörpers nach Steuerbord ausgleichen zu müssen, was an fehlender Gleichzeitigkeit beim Einsetzen und Ausheben der Blätter gelegen haben kann. Langsam wurden die Häuser von Velden kleiner, doch das schmale mit der weinroten Fassade, das ich bei der Erkundungsfahrt am Morgen ausgewählt hatte, diente mir noch lange als Peilmarke. Gegen Ende des ersten Seeabschnitts musste ich meinen Abstand zum näher kommenden Südufer etwas vergrößern. Besser hätte ich demnach auf das große Gebäude links vom weinroten gepeilt. An der Spitze des in Dellach von Süden kommenden Stegs lag zu unserer Orientierung ein Boot der Wasserpolizei mit rotierendem Blaulicht. Hier wechselte der Kurs in südöstliche Richtung.

Zum ersten Mal bereute ich, keinen Rückspiegel zu haben. Im Internet hatte ich mir wenige Tage vor Abfahrt noch einen Spiegel mit Fixiermöglichkeit an meiner Schirmmütze bestellt, der war aber nicht mehr rechtzeitig geliefert worden. Lange konnte ich meine Position knapp vor einem etwa gleichschnellen Kollegen aus Ungarn halten. Als uns im mittleren Seeabschnitt die Schnellsten der in vierminütigem Abstand nach uns gestarteten Gruppe erreichten und ich ihnen Platz zum Überholen einräumte, verlor ich den Ungarn aus den Augen. Zum Schluss war er etwa eine Minute vor mir im Ziel.

Die Landschaft war hier überwältigend schön, so dass ich fast das Rudern vergaß. Auf Backbord passierten wir eine schilf- und baumbestandene kleine Insel, auf Steuerbord die Halbinsel Maria Wörth. Zwischen historischer Bebauung steht dort auf kleinem Hügel die gleichnamige Kirche. Ringsum bewaldete Berge. Von einem Steg aus wurden bestimmte Ruderer lautstark angefeuert. Als Peilmarke diente mir in diesem Abschnitt die „Raststation Wörthersee“ an der Autobahn über dem Nordufer beim Dörfchen Tibitsch. Die hatte ich bereits beim Kartenstudium zu Hause als voraussichtlich geeignet erkannt, und ein Rose-erfahrener Kollege vom „Ruder Club am Lech Kaufering e. V.“ hatte mir das per Mail bestätigt.

Inzwischen überholten mich sogar schon die schnellsten Ruderinnen aus der vorletzten Gruppe, die immerhin 8 Minuten nach mir gestartet waren! Wieder hätte ich beinahe das Weiterrudern vergessen und am liebsten nur noch zugeschaut. Und das kitschige Lied, das der Regatta den Namen gab – konnte es plötzlich Assoziationen hervorrufen?

„…
Auf dem Wasser schwimmt sie hier          
Und wer sie sieht, der sagt zu ihr

Du bist die Rose
Die Rose vom Wörthersee
Du bist die Schönste
Die Schönste vom Strandcafé
…“

Auf der letzten Teilstrecke, der „Zielgeraden“, schien das Peilen sehr einfach. Wie vorher von vielen Seiten empfohlen, musste man nur den weithin sichtbaren, ca. 100 m hohen und schon allein wegen seiner raffinierten Holzbauweise besuchenswerten Pyramidenkogel-Turm genau hinter sich behalten und ziemlich nah am Nordufer bleiben. Dies tat ich, hatte dabei jedoch nicht den leichten Seitenwind aus südlicher Richtung einkalkuliert. Ohne Rückspiegel war es mir zudem unmöglich, den vorher nie gesehenen Fahnenmast des RV Albatros als Zielmarke zu finden. So geriet ich zu weit nach Norden und brauchte auf den letzten Metern eine kräftige Kurskorrektur, um zwischen den beiden Zielbojen durchzukommen. Dann tönte die erlösende Hupe. Meine Zeit von 1:25 Std war für das erste Mal sogar akzeptabel, zumal mir das Boot zu klein war und ich zu wenig trainiert hatte. Der Schnellste brauchte 1:01 h, der Langsamste 2:18 h.

Leider hieß es für mich schon am selben Abend die Heimreise anzutreten, so dass ich weder Siegerehrung noch Gruppenbild miterleben konnte. Aber neben der grandiosen Natur behalte ich von dem Ereignis eine schöne, familiäre Atmosphäre in Erinnerung.

Eszter im Manni am Ziel © RV Albatros

Die Rose by Eszter

Nach einem sehr leckeren und ausgiebigen Frühstück mit Toni in unserem Hotel hatte ich genug Zeit mich in aller Ruhe auf das Rennen vorzubereiten. Die erste Gruppe startete erst um 11 Uhr und ich war in der letzten Startgruppe, Nr 11, eingeteilt. Ich war richtig aufgeregt und bin frühzeitig zu dem von unserem Hotel nur wenige Schritte entfernten Sattelplatz am Strandbad aufgebrochen. Kurz vor dem Eingang zum Strandbad traf ich den 79-jährigen Walter aus Wien wieder, der bereits das fünfte Mal an der Rose teilnimmt und den ich vor 2 Jahren bei meinem ersten Rose Besuch kennengelernt habe. Nachdem ich ihm von meiner ersten Teilnahme hier erzählte, beruhigt er mich mit den Worten, dass es keinen Grund gebe aufgeregt zu sein, es sei die schönste Regatta bei bestem Wetter und ebensolchen Bedingungen. Das half etwas. Ich schaute dem regen Treiben auf unserem Sattelplatz zu, neben den vielen Ruderern und Ruderinnen standen auch viele Besucher auf der Wiese. Manche von denen wissen überhaupt nicht, was für eine Veranstaltung es hier ist und fragen mich danach, sind aber fasziniert von den vielen Booten auf dem See. Irgendwann wird es Zeit für mich aufs Wasser zu gehen und mich ein wenig einzurudern. Die Skiffs bewegen sich kreuz und quer auf dem Wasser, in der sogenannten Aufwärmzone, an ungestörtes Aufwärmen ist nicht zu denken. Fast bei jedem Schlag drehe ich mich um, ob ich mich nicht doch auf Kollisionskurs befinde.

Es dauert einige Zeit bis endlich die letzte Gruppe zum Start aufgerufen wird. Es sind ca. 20 Frauen in meiner Gruppe. Da ich mich nicht zu den Ambitionierten zähle, bleibe ich lieber etwas zurück, in der Nähe einer Frau, die vorher kurz erzählt hatte, dass sie bereits mehrmals teilgenommen hat und die Regatta eher als eine Genuss-Wanderfahrt empfindet. Ich möchte nicht beim Massenstart und auch nicht später mit jemandem kollidieren und dadurch eventuell das Boot beschädigen oder gar in den See fallen. Mir ist die Sicherheit lieber und lasse die anderen vor. Der Startschuss fällt und alle setzen sich in Bewegung, die Skulls peitschen das Wasser auf, es wird kurz laut. Ich lasse es eher gemütlich angehen, nach wenigen Minuten setzt sich das Feld ab und ich bleibe zurück mit der Genuss-Ruderin hinter mir. Ich freue mich richtig in der letzten Gruppe gestartet zu sein, in meiner Blickrichtung ist alles frei, nur paar wenige Boote begleiten das Feldende in einem großen Sicherheitsabstand. Bald habe ich das Gefühl, ich bin fast alleine auf dem ganzen See. Ich denke nicht daran, dass gerade mehr als 200 Ruderer bereits vor mir auf dem See sind. Ich genieße die Ruhe und denke daran, 16 km ganz alleine und ohne Pause durchzuhalten, was ich auf dem Chiemsee noch nie geschafft habe. Nur eine Woche davor nahm ich an der bekannten „Roseninsel Achter“ auf dem Starnberger See teil, wo noch sieben weitere Ruderer mit mir im Boot saßen und wir uns das Leid und die Anstrengung teilten. Und unsere Steuerfrau manövrierte nicht nur das Boot sicher ins Ziel sondern obendrein motivierte sie uns auch ununterbrochen. Das musste ich jetzt alles ganz alleine machen: Kurs halten, Hindernissen aus dem Weg rudern, mich motivieren, den Schlag angeben und natürlich auch noch rudern. Und die Mitleidenden waren alle in ihren eigenen Booten unterwegs und in gewisser Weise waren wir ja Konkurrenten. Es ist nicht zu vergleichen mit den Mannschaftbooten, in denen ich bisher an Regatten teilnahm.

Der See ist ruhig, keine Wellen, ich kann mit keinem anderen Boot kollidieren, da alle bereits weiter weg sind und ich beginne mich an die Situation zu gewöhnen und ja, es sogar mit der Zeit zu genießen. Ich bin sicherer und auch schneller, die Genuss-Ruderin ist nur noch als kleiner Punkt weit weg zu sehen und ich merke, dass weit neben mir auf in fast gleicher Höhe noch zwei weitere Ruderinnen ähnlich schnell unterwegs sind. Da kommt bei mir der Wettkampfgedanke auf und ich nehme es mir vor, sie möglichst zu überholen. Jetzt will ich nicht mehr nur noch ankommen sondern nicht als Letzte ins Ziel kommen. Und jetzt auf einmal Wellen? Ja, von einem vor einigen Minuten in weitem Abstand an uns vorbeifahrenden Passagierschiff. Die Wellen bringen mich aus meinem Rhythmus und die wollen nicht aufhören. Bin nun langsamer und die zwei Ruderinnen neben mir haben aufgeholt. Klar, die Wellen sind bei denen schon vorher durchgegangen, jetzt können sie frei rudern.

Ich muss mich konzentrieren, auf die Wellen, auf den Kurs und langsam kommt auch die kleine Landzunge näher, die den ersten Streckenabschnitt beendet und ich muss mich auf eine neue Peilrichtung umstellen. Aber was? Ich bin die Strecke noch nie alleine gerudert. Martin-Christoph hat uns einen Tag vorher aus Erlebnisberichten und Recherchen für den mittleren Abschnitt eine Autobahntankstelle als Peilung empfohlen, aber wo war sie? Ich bin den Tag zuvor sogar zweimal mit dem Auto daran vorbeigefahren, als ich nach Klagenfurt fuhr. Es war ein ziemlich großer Betonklotz über den See mit einigen bunten Fahnen. Vom Wasser und aus der Entfernung ist es wirklich schwer zu erkennen, die bunten Fahnen kann ich überhaupt nicht sehen und das große Gebäude erscheint sehr klein. Aber ja, das ist es, endlich gefunden. Ist es ein guter Tipp? Wird sich zeigen. Es kommt bald die Engstelle, wo das Feld zwischen einer Insel und dem Südufer des Sees auf ca. 100 m Breite entlangrudern muss. Ich bin nicht mehr sicher, ob ich noch richtig bin, die anderen beiden Ruderinnen sind noch weit weg von mir und viel mehr in der Seemitte. Da steht ein Rettungsboot! Sicher ist sicher, frage bei denen besser mal nach. Die Antwort beruhigt mich. Ich bin auf dem richtigen Weg. Zu allem Überfluss tauchen jetzt vor und in der Engstelle kleine Bojen auf, ich muss ziemlich aufpassen. Mein Spiegel leistet mir dabei gute Dienste, ich muss mich nie wirklich komplett umdrehen. Umdrehen kostet Zeit und deshalb will ich es möglichst vermeiden. Ich komme zum Glück ohne Bojenkontakt durch die Engstelle und die Tankstelle stellt sich bis zum letzten Meter des zweiten 5160 Meter langen Streckenabschnittes als perfekte Peilrichtung heraus. An der engsten Stelle stehen einige Zuschauer und jubeln zu. Ob es mir gilt? Egal, meiner Motivation tut es gut. Die beiden Ruderinnen sind jetzt schon ziemlich weit hinter mir, deren Peilung scheint nicht so gut zu funktionieren wie meine.

Jetzt taucht langsam eine weitere Ruderin in meinem Spiegel als kleiner Punkt vor mir auf. Ist sie eine langsame Ruderin aus der vor uns startenden Gruppe? Sie wird in meinem Spiegel immer größer, ich komme näher. Am Anfang des dritten Streckenabschnittes, wo die Strecke an das Nordufer des Sees wechselt, ist es soweit. Ich setze zum Überholen an. Ich freue mich so sehr, auf eine andere Ruderin zu treffen, dass ich sie beim Vorbeirudern ganz freundlich begrüße. Sie ist über diese Begegnung alles andere als erfreut, es kommt nur Schweigen zurück. Als ich ihre Startnummer sehen kann, weiß ich warum. Sie ist in der selben Gruppe wie ich gestartet und scheinbar kann sie ihr Tempo über die Distanz nicht halten. Meiner Motivation tut sie sehr gut und meine Ambitionen wachsen.

Als Peilrichtung dient im letzten Streckenabschnitt der Pyramidenkogel, das hat nicht nur Martin-Christoph sondern auch ein anderer Ruderkamerad aus Mühldorf am Inn bestätigt. Ich muss nur auf die paar Bojen aufpassen, die am Nordufer als Bootsankerpunkte und als Streckenmarkierung für Wasserskifahrer dienen. Und ich erblicke eine weitere Ruderin vor mir, der ich mich sehr langsam nähere. Eine weitere externe Motivation! Meine Uhr zeigt noch ca. einen Kilometer bis zum Ziel an. So langsam müsste ich die großen gelben Bojen vom Zieleinlauf in meinem Spiegel sehen können. Dem ist es aber nicht so. Ich werde langsam unruhig, zumal ich schon leise den Kommentator beim RV Albatros hören kann. Und die Ruderin vor mir ist auch aus meinem Spiegel verschwunden. Ich muss mich doch noch umdrehen um nicht das Ziel zu verpassen. Ich bin – wie Martin-Christoph auch – viel zu weit zum Nordufer gekommen, muss auf den letzten Metern noch eine Richtungsänderung vornehmen. Das kostet mich einige Zusatzmeter und ich die Chance ist endgültig vorbei, die Ruderin vor mir noch eventuell einholen zu können. Trotzdem bin ich überglücklich, als ich die Zielhupe höre und der Kommentator meinen Namen mit RV Prien am Chiemsee vorliest. Ich habe meine beiden Ziele erreicht, sicher ins Ziel zu rudern und mit 1:30:51 Std komme ich vor sechs anderen Frauen ins Ziel.